Trendforschung: Repräsentanten, Methoden und Kritik der populären Trendforschung

Trendforschung: Repräsentanten, Methoden und Kritik der populären Trendforschung
Trendforschung: Repräsentanten, Methoden und Kritik der populären Trendforschung
 
So oft von Trends geredet wird, so selten wird gesagt, was darunter zu verstehen ist. Auch in der Trendforschung, mit der das Wort »Trend« zum Trendwort geworden ist, hält man sich mit Erklärungen zurück. Die Trendforschung ist in den 1970er-Jahren Vorgängern der populärwissenschaftlichen Zukunftsforschung gefolgt. Es waren vor allem Unternehmensberater und Werbefachleute in den USA, die mit ihren Büchern über die globalen Trends der Zukunft berühmt geworden sind und die ihre Dienste etwa in Form von Berichten, Beratungen, Seminaren oder sonstigen Meetings Unternehmen angeboten haben, damit diese ihre Produkte den zukünftigen Trends anpassen können. Da die neuen Trendforscher ihre Bücher und Dienste gut verkaufen konnten, fanden sie bald auch hierzulande Nachahmer, die Trendforschungsinstitute gründeten und in rascher Folge Publikationen auf den Markt brachten.
 
Die bekanntesten Trendforscher bedienen sich zwar weitgehend der Methoden der Markt- und Meinungsforschung, jedoch tun sie dies weitgehend in freier Weise, ohne den wissenschaftlichen Standards zu entsprechen. Ihre Hauptinformationsquelle sind die Medien, aus denen sie die Trends herausfiltern; außerdem werden Experten und Konsumenten befragt und besonders trendträchtige Gruppen oder Szenen beobachtet. Allerdings spielt bei ihren Trendprognosen auch die Intuition eine große Rolle. Ernsthafte Wissenschaftler stellen die Ergebnisse und Verfahren der populären Trendforscher infrage oder weisen nach, dass ihre prognostizierten Trends oft nur alte Erkenntnisse in neumodischer Form präsentieren.
 
 Bedeutung und Gebrauch des Wortes »Trend«
 
Das Wort »Trend« gebrauchte man natürlich schon, bevor Trendforschung betrieben wurde und es als Trendwort benutzt wurde. Es bedeutet im Allgemeinen die Grundrichtung einer Entwicklung. Das deutsche Wort wurde im 20. Jahrhundert aus dem gleichbedeutenden englischen Substantiv »trend« entlehnt, das von dem gleich lautenden Verb stammt mit der Grundbedeutung »in eine bestimmte Richtung verlaufen«.
 
In den Sozialwissenschaften bezeichnet der Begriff »Trend« eine wissenschaftlich feststellbare Grundrichtung gesellschaftlichen Verhaltens oder gesellschaftlicher Entwicklungen. In der empirischen Sozialforschung werden Aussagen über gegenwärtige Trends aufgrund von Vergleichswerten oder -merkmalen getroffen, die zu verschiedenen Zeitpunkten an dem untersuchten Gegenstand festgestellt oder beobachtet wurden. Durch Extrapolation können so auch Prognosen über künftige Trends vorgenommen werden.
 
In der Trendforschung wird das Wort »Trend« selbstverständlich dauernd gebraucht, aber die Trendforscher bemühen sich nur selten um eine Erklärung ihres Grundbegriffs. Matthias Horx stellt hier eher eine Ausnahme dar; er erklärt im »Lexikon Trendwörter« (1994) das Trendwort »Trend« als »Bezeichnung für ein komplexes, mehrdimensionales Phänomen in der Gesellschaft, das weite Bevölkerungskreise umfasst und Werte, Verhaltensweisen, Kaufverhalten etc. nachhaltig verändert.« Gegenüber einer bloßen Mode habe ein »echter« Trend eine längere Lebenszeit von »mindestens fünf Jahren«. Als »Auslöser von Trendprozessen« betrachtet Horx »neue Technologien, die soziales Verhalten umformen, oder tief greifende soziographische Veränderungen, die ein verändertes Sozialverhalten zur Folge haben.«
 
Andere Trendforscher sehen in Trends so etwas wie letzte, also nicht weiter ableitbare Gegebenheiten, die sie durch Beobachtung des Verhaltens bestimmter Gruppen oder allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen zu erkennen meinen und die sie als Grundlage nehmen für ihre Voraussagen über künftiges Verhalten oder über künftige Entwicklungen. Dabei wird vorausgesetzt, dass Trends die leitenden Funktionen übernommen hätten, die früher von Personen, Institutionen, Religionen oder Ideologien ausgeübt worden wären, oder jedenfalls dem Individuum angesichts der Unübersichtlichkeit der Wirklichkeit und der Vielfalt der Wahlmöglichkeiten gewisse Handlungsorientierungen gäben. Selbst nicht steuerbar, seien Trends allenfalls durch die Chaostheorie erfassbar.
 
Die meisten Trendforscher unterscheiden zwischen zwei Klassen von Trends: den Mega- (nach John Naisbitt) oder Metatrends (nach Gerd Gerken), die eben jene übergreifenden Grundgegebenheiten darstellen, und den oft nur schlicht Trends genannten Einzeltrends, die aus jenen hervorgehen und in einzelnen Bereichen als Stil- oder Modeformen zum Ausdruck kommen sollen. So wird z. B. der Technotrend als Ausdruck des Megatrends einer hedonistischen Lebenseinstellung gedeutet. Fortgeschrittene Trendforscher vermeiden freilich das Wort »Trend«, weil es sich als Trendwort abgenutzt hat, und verwenden stattdessen etwa den Internetterminus »Link«; so die amerikanische Exmodedesignerin und Trendforscherin Suzi Chauvel, die ihre Feldforschungen in den zersplitterten Gruppen bevorzugt mit Videokamera betreibt.
 
 Berühmte Vertreter der Trendforschung und ihre Werke
 
Ein Vorgänger der Trendforscher war der amerikanische Zukunftsforscher und Schriftsteller Alvin Toffler, der Ergebnisse der akademischen Zukunftsforschung mit eigenen »impressionistischen« Beobachtungen und Meinungen von Experten verschiedener Couleur vermischte und in populärwissenschaftlichen Darstellungen verbreitete. Er stellte 1970 in seinem Buch »Future Shock« die Prognose, dass das Überangebot an Wahlmöglichkeiten den Menschen überfordern und der immer schnellere Wandel der Wirklichkeit seine Anpassungsfähigkeit übersteigen werde. Dem Bestseller, der auch Politikern und Managern Diskussionsstoff lieferte, folgten im Zehnjahrestakt die Aktualisierungen »The Third Wave« (deutsch »Die Zukunftschance«) und »Powershift« (deutsch »Machtbeben«). Zumindest mit seiner »impressionistischen« Methode war Toffler den Trendforschern ein Vorbild.
 
1982 setzte der amerikanische Unternehmensberater John Naisbitt den Trend der Trendbücher mit seinem Trendreport »Megatrends«, in dem er zehn Globaltrends weltweit verkündete; so die zur Informationsgesellschaft, Globalisierung, Dezentralisierung, Umstrukturierung und Pluralisierung. [Im Gegensatz zu dem ersten Buch jenes Vorgängers war das Werk des Trendgurus von einem unerschütterlichen Optimismus geprägt.] Seinem Superseller, der sich in den ersten fünf Jahren acht Millionen Mal verkauft hatte, ließ Naisbitt zehn Jahre später die Aktualisierung »Megatrends 2000« folgen, in dem manche der alten Megatrends durch neue ersetzt wurden: das Ende des Sozialismus, das Erstarken der Künste, der Frauen und der Religionen sowie den Eintritt in das Zeitalter der Bio- und Gentechnik. Die Summe von zehn Megatrends blieb unverändert.
 
1991 veröffentlichte die amerikanische Unternehmensberaterin Faith Popcorn, geborene Plotkin, ihren Trendreport »Der Popcorn Report. Trends für die Zukunft«. Sie wollte damit »den Menschen zeigen, wie sie ihren Pessimismus überwinden können«, und »den neuen Unternehmen den neuen Verbraucher vorstellen«. Bereits 1974 hatte sie das Beratungsunternehmen BrainReserve gegründet und so dafür gesorgt, dass ihre Auftraggeber die Produkte den Trends anpassen. In ihrem Trendreport nennt sie die zehn Zukunftstrends, die BrainReserve hinsichtlich des Verbraucherverhaltens ermittelt hat, sagt den Unternehmen, wie sie die Trends verwerten können, und erzählt nebenbei die Erfolgsgeschichte ihres Unternehmens. Von ihren Trends ist vor allem das »Cocooning« berühmt geworden: das »Sicheinspinnen« im eigenen Heim und Sichabkapseln gegen die Unannehmlichkeiten der Umwelt, das dem Bedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit entspringt. Da dies nach Popcorn aber schon ein Trend der 1980er-Jahre war und doch als Grundtrend erhalten blieb, wurde er für die 1990er-Jahre erweitert: Das Cocooning würde mobil werden und etwa auch im Auto oder mit einer kleinen Gesellschaft in Bars stattfinden; und damit war das »Salooning« als Unterart des Cocooning erfunden. Weitere Trends, die Popcorn für die 1990er-Jahre voraussah, waren die zu »Fantasieabenteuern« (dem Cocooning in Fantasiewelten), »kleinen Genüssen«, Aussteigen, längerem Jungbleiben, möglichst langem Leben und zu »99 Leben auf einmal« (d. h. dazu, möglichst viele Rollen gleichzeitig zu spielen). Popcorn aktualisierte ihren Report 1996 unter dem Titel »Clicking. Der neue Popcorn-Report. Trends für unsere Zukunft«, um einzelne der zehn Trends durch neue zu ersetzen; in der »völlig überarbeiteten und erweiterten Neuausgabe« mit den »neuesten Trends für unsere Zukunft« (1999) erhält man sogar siebzehn Trends für das neue Jahrtausend.
 
In Deutschland trat in den 1980er-Jahren der Trendpionier Gerd Gerken auf den Plan und warf in rascher Folge Publikationen auf den Markt. Nachdem er bereits 1989 sein erstes Trendbuch mit dem Titel »Trends für das Jahr 2000« herausgebracht hatte, prüfte er in seinem jüngeren Buch »Trendzeit« seine früheren Voraussagen und bestätigte sie. Hier präsentierte er neun »Metatrends« in einem irritierenden Geflecht empirischer Befunde, philosophischer, soziologischer und ökonomischer Begriffe und esoterischer Anschauungen. Außer durch Wortneuschöpfungen glänzte er auch durch eine Fülle von Einzeltrends, die aus den Metatrends hervorgehen. Die neun Metatrends lauten im Einzelnen: Postmodernismus, Crossing, chaotischer Futurismus, Telematik, Soft Culture, expansives Denken, neue Polarität, ferne Mythen und Interfusion. In seinem Institut für Trendforschung kann Gerken sogar mit 26 Megatrends und rund 170 Einzeltrends aufwarten; neben Diagnosen »globaler Metatrends« werden dort in Worpswede auch Beschreibungen »ganzer Trendlandschaften« angeboten.
 
Nachdem Matthias Horx in den 1980er-Jahren als Soziologe und Journalist viel über Jugendkultur und Wertewandel geschrieben hatte, gründete er 1993 mit Peter Wippermann das Trendbüro Hamburg. Noch im selben Jahr veröffentlichte er das »Trendbuch 1« mit den »Megatrends für die Mitte der Neunzigerjahre«; schon 1995 erschien das »Trendbuch 2« mit den »Megatrends für die späten Neunzigerjahre«. 1994 gab er das »Lexikon Trendwörter« heraus mit den wichtigsten Trendwörtern der Mittneunziger; 1996 erschien das Buch »Was ist Trendforschung«, das er mit Peter Wippermann verfasst hat und das Theorie, Methoden und Praxis der Trendforschung behandelt. Als zwölf Megatrends für die späten Neunzigerjahre benennt Horx: Soft-Individualismus, Eklektizismus-Prinzip, Aufstand der Alten, Glauben light, großes Heimweh, New Work, Explosionen der Netze, Rache der Frauen, Abschied von der Sex-Ära, neuer Optimismus, Anti-Geschmack und Moral plus. Das Trendbüro bearbeitet drei Arten von Trends, die auf verschiedenen Ebenen liegen: Megatrends, eben die übergreifenden Globaltrends »mit einer Halbwertszeit von mindestens zehn Jahren«, Konsumententrends, die das Kaufverhalten beschreiben und daher die Produkt- und Marketingkonzeptionen betreffen, und Branchentrends, die sich aus den Mega- und Konsumententrends herleiten lassen und in der Beratungsarbeit des Trendbüros zusammen mit den Herstellern ermittelt werden.
 
 Arten und Methoden der Trendforschung
 
Je nach Ausrichtung und Absichten lassen sich (frei nach Horx) mehrere Arten von Trendforschung unterscheiden: die prophetische, die Globaltrends als ein neues Zeitalter verkündet, die publizistische, die andauernd neue Trendreports veröffentlicht, die marketing- oder stilorientierte kreative Trendforschung, die neue Trends besonders im Bereich der Mode zu kreieren versucht, und schließlich die eher wissenschaftlich arbeitende Trendforschung, die von Meinungs- und Marktforschungsinstituten oder von unternehmenseigenen Institutionen betrieben wird.
 
Die Methoden der Trendforschung stammen denn auch weitgehend von der Meinungs- und Marktforschung oder allgemeiner von der empirischen Sozialforschung — sofern die Trendforscher überhaupt solche Methoden verwenden und sich nicht vielmehr auf ihre Intuition verlassen. Im Wesentlichen werden drei Methoden benutzt: Medienanalyse, Experten- oder Konsumentenbefragung (Gruppendiskussionen oder Einzelinterviews) und Feldforschung, d. h. meist teilnehmende Beobachtung von bestimmten Gruppen, besonders von Subkulturen und avantgardistischen Szenen.
 
Die prophetischen und publizistischen Trendforscher, zu denen die genannten berühmten Vertreter gehören, behaupten zwar, dass sie viel Material berücksichtigen, beschreiben aber wenn überhaupt, dann nur sehr dürftig, mit welchen Methoden sie das Material bearbeiten. Naisbitt beruft sich auf die Inhaltsanalyse (»content analysis«), eine ursprünglich wissenschaftliche Methode, die eine systematische, objektive und quantitative Analyse des Inhalts eines Textes gewährleisten soll. Damit dies geschieht, müssen allerdings gewisse Regeln beachtet werden. So muss das Material statistisch repräsentativ ausgewählt sein und nach einer klaren Liste von Kriterien quantitativ in Zeitreihen ausgewertet werden. Über solche Details gibt Trendguru Naisbitt aber keine Rechenschaft.
 
Die populären Epigonen folgen ihm hierin. Popcorn redet nur vom »Abtasten« der Kultur und »Aufspüren der Trends«, auch vom »Aufstellen von Hypothesen« und »Verfeinern der Ideen« mithilfe der drei wichtigsten Informationsquellen, nämlich den zehn Trends selbst (»Trend-Bank«), ausgewählten kreativen Denkern (»Talent-Bank«) und Interviews mit Verbrauchern. Gerken spricht von »Monitoring« als entscheidendem Analyseinstrument und sagt, es arbeite »mit weichen» Informationen, das heißt, es bezieht seine Informationen nicht aus Marktforschung und Statistiken«, sondern aus den Medien durch Inhaltsanalyse, aus Experten durch Befragung und aus den »Szenen« durch »Beobachtung und teilnehmende Verschmelzung«. Horx nennt als grundlegende Methode das »Scanning von Print- und anderen Medien«, wobei er anmerkt, dass es weniger auf die Masse der gescannten Medien ankomme als vielmehr auf das »komplexe Wissen« oder die »Meta-Fähigkeit« der scannenden Person. Er stellt fest, Trendforschung sei »nichts anderes als Informationsverdichtung«, und führt als weitere Methoden außer dem »Monitoring«, das nach ihm journalistische Feldrecherche bedeutet und das Bild einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe oder Subkultur liefert, »Studien und Meta-Analysen« an, d. h. »Auswertung der großen Studien zu Wertewandel, Lebensstil, Demographie und Ökonomie«.
 
Da die Datenbasis einer solchen Art von Trendforschung nicht mit kontrollierbaren Methoden gewonnen wird, handelt es sich bei ihren Hypothesen über künftige Trends kaum um explorative Prognosen, die aufgrund gesicherten Wissens mit nachvollziehbaren Verfahren die weitere Entwicklung unter bestimmten Voraussetzungen voraussagen, sondern eher um intuitive Prognosen, die außer auf einer Menge von Informationen vor allem auch auf Intuition beruhen und die Zukunft eher in bildlichen Ausdrücken und Beschreibungen als in klaren Begriffen, überprüfbaren Aussagen oder gar Zahlenangaben vorausschauen. Eine große Rolle bei ihren Prognosen scheint die Intuition zu spielen. Ernsthafte Wissenschaftler stellen daher auch die Ergebnisse solcher Trendforscher infrage.
 
 Problematik und Kritik der Trendforschung
 
Während die populären Trendforscher die Richtigkeit ihrer Trendprognosen und Techniken durch die Entwicklungen der von ihnen beobachteten Gesellschaft und die Erfolge der von ihnen beratenen Unternehmen bestätigt sahen, stellten vor allem Soziologen und wissenschaftlich orientierte Marktforscher die Gültigkeit ihrer Voraussagen und ihrer Verfahren infrage. So wurde von Soziologen etwa bemängelt, dass es bisher keine überzeugende und überprüfbare Trendtheorie gebe, dass die von verschiedenen Trendforschern für denselben Zeitraum festgestellten Megatrends sich nicht deckten, ja dass sogar die im Trendkatalog eines Trendforschers enthaltenen Megatrends teils einander widersprächen. Horx, der sich wenigstens auf derlei Einwände überhaupt einlässt, hält sie für einen Ausdruck »linearen Denkens« und weist die Forderung der Widerspruchsfreiheit zurück mit dem Hinweis auf die nicht lineare, mehrdimensionale Entwicklung der Gesellschaft: Diese Entwicklung sei eben nicht widerspruchsfrei und könne überdies nur durch ein nicht lineares, komplexes Denken gefasst werden.
 
Manche Marktforscher gestehen zwar zu, dass sich die Megatrends zuverlässig prognostizieren lassen, stellen aber fest, dass sie wenig aussagekräftig seien und dass die aus ihnen angeblich abgeleiteten Einzeltrends, vor allem die konkreten Branchen- und Produkttrends, mangels nachvollziehbarer Ableitungsverfahren fragwürdig blieben. Nur etwa 50% der Prognosen über Einzeltrends seien zutreffend. — Indessen sind solche Prozentangaben ebenso wie die Prognoseselbstbestätigungen der Trendforscher (die in Zahlen übersetzt eine Erfolgsquote von annähernd 100% ergäben) mit Vorsicht zu genießen, da die Prognosen über Einzeltrends größtenteils den Kunden der Trendforschungsinstitute vorbehalten bleiben.
 
Als entschiedener Kritiker der Trendforschung ist vor allem der Wissenschaftsjournalist, Medien- und Marketingspezialist sowie Hochschuldozent für Soziologie und Kommunikationswissenschaften Holger Rust hervorgetreten. In seinem Buch »Trends. Das Geschäft mit der Zukunft« (1995) legt er dar, wie geschickt oder jedenfalls erfolgreich die selbst ernannten Trendforscher ihre Produkte, d. h. Trendanalysen, -prognosen, -pakete und -seminare vermarkten. Er untersucht sowohl die verschiedenen Megatrends, die die namhaften Trendforscher in ihren Veröffentlichungen verbreiten, als auch die Methoden, die sie verwenden; überdies führt er an Beispielen vor, wie Trends von Marketingstrategen vermittels der Medien entstehen. Einen grundlegenden Fehler der Methode sieht Rust darin, dass die Medienanalysen keineswegs ein unverfälschtes, nur verdichtetes Bild der gesellschaftlichen Entwicklung liefern, wie die Metaphern des »Monitoring« oder »Scanning« vorgeben, sondern ein durchaus vermitteltes oder gar verzerrtes, außerdem ausschnitthaftes »Bild«, das meist nur trendträchtige oder kaufkräftige Zielgruppen in den Blick nimmt.
 
Die meisten der verbreiteten Megatrends hält Rust zwar nicht für verkehrt, aber keineswegs für neu; es handle sich vielmehr um ein Gemisch von wieder aufbereiteten Erkenntnissen der Wissenschaften und Ergebnissen der Marktforschung, philosophischen oder esoterischen Gedankenfetzen und Beobachtungen oder Erfindungen der Trendforscher, die sie in scheinbar griffige Schlagwörter verpackten und als großartige Entdeckungen verkauften. Bei näherem Hinsehen erwiesen sich nach Rust die Trendvoraussagen allerdings als eher schwammig, sodass sie im Nachhinein immer irgendwie richtig erschienen. Es nehme daher auch nicht wunder, dass die Umsetzung der Trendprognosen in Produktgestaltung den Unternehmen überlassen bleibt. Den erstaunlichen Verkaufserfolg der von ihm behandelten Trendforscher führt Rust auf die große Unsicherheit zurück, die gerade auch bei Führungskräften von Unternehmen grassiere. In dem Folgewerk »Das Anti-Trendbuch« (1997) setzt Rust seine dezidierte Kritik fort und fordert laut Untertitel »Klares Denken statt Trendgemunkel«.
 
Es bleibt abzuwarten, ob Rust und andere Kritiker gegen die Trendforschung etwas auszurichten vermögen und wie lange der Trend zur Trendforschung noch anhalten wird.
 
 
Holger Rust: Trends. Das Geschäft mit der Zukunft. Wien 1995.
 Matthias Horx und Peter Wippermann: Was ist Trendforschung. Düsseldorf 1996.

Universal-Lexikon. 2012.

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